Open Access in der Psychologie

Dem allgemeinen Trend folgend hat sich Open Access in den letzten Jahren auch innerhalb der Psychologie weiter verbreitet und etabliert, allerdings auf unterschiedlichen Wegen. In Deutschland bekannte sich die größte psychologische Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), schon sehr früh zu Open Access. So hat die Mitgliederversammlung der DGPs bereits im September 2004 der Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen zugestimmt und die Erklärung 2017 auch formell unterzeichnet.

Zudem engagiert sich vor allem das Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) für Open Access in der Psychologie. Mit PsychOpen GOLD wurde 2012 eine Open-Access-Publikationsplattform gestartet, auf der derzeit vierzehn psychologische Open-Access-Zeitschriften angeboten werden. Ein wesentliches Ziel von PsychOpen GOLD ist es, Open-Science-Praktiken in der Psychologie zu stärken und die Sichtbarkeit der europäischen psychologischen Forschung international zu stärken. Neben PsychOpen GOLD bietet das ZPID freien Zugang zu einer Reihe weiterer Informationsprodukte für die Psychologie an (siehe Abschnitt Open Science).

Demgegenüber hat sich der international einflussreiche und weltweit größte Psychologieverband, die American Psychological Association (APA), lange Zeit wenig aufgeschlossen gegenüber Open Access gezeigt. So warnte die damalige APA-Präsidentin Sharon Stephens Brehm im September 2007, dass das bestehende Publikationssystem nur mit Bedacht geändert werden sollte (Stephens Brehm, 2007). Diese Zurückhaltung gegenüber Open Access ist vermutlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die APA selbst als kommerzieller Verlag etwa 90 psychologische Fachzeitschriften publiziert. Für das gesamte subskriptionsbasierte APA-Zeitschriftenportfolio besteht mittlerweile allerdings die Möglichkeit einer hybriden Veröffentlichung, bei der gegen Zahlung eines Entgelts einzelne Beiträge öffentlich zugänglich gemacht werden. Eine freie Lizenzierung dieser Beiträge, z. B. mit CC-Lizenzen, geht damit allerdings nicht einher.

In der Psychologie ist die wissenschaftliche Literatur in hohem Maße in Fachzeitschriften zu finden. Bücher oder Kongressbeiträge spielen demgegenüber eine eher untergeordnete Rolle. Open Access zu psychologischen Fachbüchern ist noch wenig entwickelt.

Reine Open-Access-Zeitschriften sind in der Psychologie nach wie vor jedoch die Ausnahme. Zum Juli 2021 umfasste PsycINFO, eine von der American Psychological Association (APA) herausgegebene internationale Fachdatenbank psychologischer Literatur, 2.276 Zeitschriften, davon waren 9% (203) Open-Access-Zeitschriften (Kriterium: im Directory of Open Access Journals (DOAJ) gelistet). Eine Abfrage der disziplinübergreifenden Datenbank Scopus ergab zur gleichen Zeit 1.534 Zeitschriften im Bereich Psychologie, davon 12% (183) Open-Access-Zeitschriften. Ebenfalls im Juli 2021 wurden im der Web-of-Science-Datenbank 538 Zeitschriften aus der Psychologie gelistet, von denen 7% (39) als Open-Access-Zeitschriften markiert und 5% (29) außerdem mit einem Impact Factor versehen waren. In einer älteren Untersuchung fanden Piwowar et al. (2017, 2018) in einer Stichprobe von Web-of-Science-Artikeln, die zwischen 2009 und 2015 veröffentlicht wurden, für die Psychologie einen Anteil von 4,7% aus reinen Open-Access-Zeitschriften (Gold-OA). Da viele Zeitschriften in der Psychologie Open Access zumindest als Option anbieten (Hybrid-Modell) ist der Anteil von faktisch frei verfügbaren Zeitschriftenartikeln allerdings vermutlich höher.

Open-Access-Zeitschriften

Das Directory of Open Access Journals (DOAJ) listet unter dem Stichwort Psychology 1.358 Einträge (Stand: Dezember 2021). Viele der reinen Open-Access-Zeitschriften finden sich traditionell auf wissenschaftsnahen, nicht-kommerziellen Plattformen von Fachgesellschaften, Forschungseinrichtungen, Universitäten oder Fachinformationszentren. Mit dem Durchsetzen autor*innenfinanzierter Geschäftsmodelle werden reine Open-Access-Zeitschriften aber zunehmend auch bei traditionellen Fachverlagen und neuen, kommerziellen Open-Access-Verlagen angeboten.

Wichtige Open-Access-Zeitschriften in der Psychologie sind:

Einige der oben genannten Zeitschriften veröffentlichen bereits seit vielen Jahren Open Access und erheben keine Publikationsgebühren (Europe's Journal of Psychology, Judgement and Decision Making). Bei den Zeitschriften, die Publikationsgebühren erheben, gibt es eine Spannweite von einigen hundert (z. B. Advances in Cognitive Psychology) bis mehreren tausend (z. B. Frontiers in Psychology) Euro/Dollar, die von den Autor*innen für die Veröffentlichung eines Forschungsbeitrags zu zahlen sind. Die Zeitschrift Frontiers in Psychology ist ein Beispiel für eine "Mega-Zeitschrift", die von einem kommerziellen Open-Access-Verlag publiziert wird und mehrere tausend Artikel pro Jahr veröffentlicht.

Der im deutschsprachigen Raum bedeutendste Psychologieverlag Hogrefe führt derzeit (März 2022) drei reine, APC-finanzierte Open-Access-Zeitschriften. Er bietet bei allen Zeitschriften des Verlagsportfolios den Autor*innen gegen Zahlung einer entsprechenden Publikationsgebühr pro Artikel die Wahlmöglichkeit für Open Access (hybrides Modell). Es gibt teilweise entsprechende Rahmenverträge zwischen Hogrefe und Forschungseinrichtungen, wodurch für Autor*innen dieser Einrichtungen die individuellen Gebühren zugunsten einer konsortialen Finanzierung entfallen.

Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln

Open-Access-Bücher 

Unter dem Stichwort Psychology listet das Directory of Open Access Books 281 Titel. OAPEN verzeichnet unter dem gleichen Stichwort Psychology 10.276 Titel (Stand: Dezember 2021). Da sich die wissenschaftliche Literatur in der Psychologie zu einem großen Teil in Fachzeitschriften findet, spielen Bücher oder Kongressbeiträge eine eher untergeordnete Rolle. Vor allem die Veröffentlichung von Open-Access-Büchern ist noch wenig verbreitet.

Disziplinäre Repositorien 

Zu den wichtigen disziplinären Repositorien in der Psychologie gehören:

  • PsychArchives – eines der wenigen auf die Psychologie spezialisierten Open-Access-Repositorien weltweit. Neben den eigentlichen Manuskripten enthält es auch in größerem Umfang begleitendes Material (z. B. Daten und Code)
  • PsyArXiv – enthält Preprints aus der Psychologie
  • Social Science Open Access Repository (SSOAR) – enthält Dokumente aus dem Bereich der Sozialwissenschaft, von denen ein Teil auch der Psychologie zugeordnet wird

Der grüne Weg des Open Access durch die Selbstarchivierung von Pre- oder Postprints ist inzwischen auch in der Psychologie verbreitet und wird von vielen Verlagen zugelassen.
Eine Übersicht zu relevanten Repositorien bietet das Open Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR).

Video über das Zeitveröffentlichungsrecht

Sonstige Angebote

Datenbanken und Suchmaschinen, die ausschließlich Open-Access-Dokumente aus der Psychologie nachweisen, gibt es derzeit nicht. Es gibt aber mit PubPsych eine große, frei zugängliche psychologische Referenzdatenbank, die auch auf Volltexte verlinkt und es erlaubt, gezielt nach Open-Access-Inhalten zu filtern. PubPsych umfasst Nachweise von Zeitschriftenartikeln, Büchern und Buchkapiteln, Interventionsprogrammen, Forschungsdaten sowie psychodiagnostischen Testverfahren aus allen Bereichen der Psychologie. 

Darüber hinaus unterstützt PsyOA, ein Mitglied der Fair Open Access Alliance, Verleger*innen, die eine Umwandlung zu einem fairen Open-Access-Publikationsmodell anstreben.

Open Science in der Psychologie 

Seitdem Ioannidis (2005) die Validität der meisten veröffentlichten Forschungsergebnisse in Zweifel zog, und angesichts einer Vielzahl gescheiterter Versuche, zuvor signifikante Effekte zu replizieren (z. B. Open Science Collaboration, 2015) findet in vielen wissenschaftlichen Disziplinen unter dem Begriff Replikationskrise eine vehemente Diskussion über die Zuverlässigkeit veröffentlichter Forschungsergebnisse statt. Die geringe Replizierbarkeit, so die Kritik an der Wissenschaftspraxis, könnte auf eine hohe Rate an falsch-positiven Ergebnissen hindeuten. Potentielle Ursachen hierfür (z. B. p-hacking oder HARKing) werden oft als "fragwürdige Forschungspraktiken" zusammengefasst.

Als Reaktion hierauf nahm die Bedeutung von "Open Science" (z. B. Munafò et al., 2017) als Überbegriff für verschiedenste Praktiken zu, den Forschungsprozess transparenter und somit reproduzierbarer zu machen. Darüber hinaus zielt Open Science darauf ab, Forschung für mehr Menschen zugänglich zu machen. Wichtige Open Science-Praktiken in der Psychologie sind beispielsweise die Prä-Registrierung von Studien (d. h. die Protokollierung und Veröffentlichung von Studienplänen vor Beginn einer Studie bzw. vor der Datenanalyse, um transparent festzuhalten, was a priori geplant wurde) oder Open Material und Open Data (d. h. das Teilen von Forschungsmaterialien und Daten zur Nachvollziehbarkeit und Nachnutzung der Ergebnisse). Innerhalb der Disziplin existieren verschiedenste, sich wandelnde, Positionen zu Open Science, folglich sind die damit verbundenen Themen unterschiedlich stark verbreitet (Spinath, 2021).

In der Psychologie gibt es verschiedene Angebote, die dem Open-Science-Gedanken Rechnung tragen: 

FDZ am ZPID – Das Forschungsdatenzentrum (FDZ) am ZPID stellt psychologische Forschungsdaten zur Nachnutzung zur Verfügung. Die vom Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) getragene und vom Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) akkreditierte Einrichtung dokumentiert, archiviert und veröffentlicht Forschungsdaten aus allen Bereichen der Psychologie und ist derzeit das einzige auf die Psychologie spezialisierte Forschungsdatenzentrum.

Open Science Framework – Zu den engagierten Verfechtern für Open Access auch in der Psychologie gehört das Center for Open Science, das das Open Science Framework (OSF), eine Umgebung für den Austausch von Dokumenten, Daten, Skripten etc., betreibt. Auch wenn diese Initiative fachübergreifend ausgerichtet ist, hat sie eine starke psychologische Basis.

Open Test Archive –  Dieses ebenfalls vom Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) getragene Archiv stellt für die Forschung und Lehre frei zugängliche Testverfahren zur Verfügung.

PsychAuthors – Die frei zugängliche Datenbank enthält Autor*innenprofile und Publikationslisten deutschsprachiger Psychologieautor*innen.

Linksammlung der DGPs -  Praktische Ressourcen für Forschung und Lehre zum Thema Open Science.

Zudem gibt es zahlreiche Open-Science-Initiativen an den psychologischen Instituten und Fachbereichen verschiedener Universitäten. Diese haben sich größtenteils im Netzwerk der Open-Science-Initiativen in Deutschland (NOSI) zusammengeschlossen.

Literatur

  • Ioannidis, J. P. A. (2005). Why most published research findings are false. PLOS Medicine, 2(8). https://doi.org/10.1371/journal.pmed.0020124
  • Munafò, M. R., Nosek, B. A., Bishop, D. V. M., Button, K. S., Chambers, C. D., Percie du Sert, N., Simonsohn, U., Wagenmakers, E.-J., Ware, J. J., & Ioannidis, J. P. A. (2017). A manifesto for reproducible science. Nature Human Behaviour, 1. https://doi.org/10.1038/s41562-016-0021
  • Open Science Collaboration. (2015). Estimating the reproducibility of psychological science. Science, 349(6251). https://doi.org/10.1126/science.aac4716
  • Piwowar, H., Priem, J., Larivière, V., Alperin, J. P., Matthias, L., Norlander, B., Farley, A., West, J., & Haustein, S. (2017). Data from: The state of OA: A large-scale analysis of the prevalence and impact of Open Access articles. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.1041791
  • Piwowar, H., Priem, J., Larivière, V., Alperin, J. P., Matthias, L., Norlander, B., Farley, A., West, J., & Haustein, S. (2018). The state of OA: A large-scale analysis of the prevalence and impact of Open Access articles. PeerJ, 6. https://doi.org/10.7717/peerj.4375
  • Spinath, B. (2021). Zur Lage der Psychologie. Psychologische Rundschau, 72(1), 1–18. https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000521
  • Stephens Brehm, S. (2007). Open access: A thorny debate. Monitor on Psychology, 38(8). https://www.apa.org/monitor/sep07/pc

Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Prof. Dr. Armin Günther, Leibniz-Institut für Psychologie; Dr. Katarina Blask, Leibniz-Institut für Psychologie und Lisa Spitzer, Leibniz-Institut für Psychologie, Roland Ramthun (Stand: Oktober 2022)